27.Oktober 2017
Gewerbefläche auf einen Schlag um 50 % ausdehnen?
Der Entwurf des Flächennutzungsplansder Stadt Herrieden sieht vor, die Gewerbeflächen von 152 Hektar um 77 Hektar auf 229 Hektar auszudehnen. Das würde bedeuten, dass der seit dem 2. Weltkrieg in 72 Jahren gewachsene Gewerbebestand innerhalb der nächsten 15 Jahre um 50 % ausgedehnt wird! Dieser Umgang mit den Flächen unserer Stadt übersteigt jedes realistische Maß und den konkret sichtbaren Bedarf.
Die massive Überbauung des Außenbereiches steht im Widerspruch zu den vom Stadtrat am 23.11.2016 selbst beschlossenen Zielen. Im Kapitel 1.1 der Begründung zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans heißt es: „Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung verfolgt auch die Stadt Herrieden einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Bei der Entwicklung muss eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Grundlegend muss bei jeglicher Entwicklung ein konkreter Bedarf nachgewiesen werden können. Nachfolgend muss dann geprüft werden, ob dieser Bedarf vorrangig im Zug der Innenentwicklung gedeckt werden kann.“
Vor diesem Hintergrund steht die Ausweisung von 77 Hektar zusätzlicher Gewerbeflächen einer bedarfsorientierten Siedlungsentwicklung entgegen. Dabei ist in der Bilanzierung das potenziell geplante interkommunale Gewerbegebiet mit der Nachbargemeinde Aurach noch gar nicht enthalten, das im Herrieder Stadtgebiet weitere 40 Hektar Bauland für Gewerbe vorsehen würde. Das ist Flächennutzungsplanung nach dem Maximalprinzip. Sie stellt einen Bruch mit den Prinzipien der bisherigen Stadtentwicklung dar und wird einer verantwortungsvollen kommunalen Planungshoheit nicht gerecht!
34 Hektar neues Wohnbauland ausschließlich auf der grünen Wiese?
Die Netto-Neuausweisung der Wohnbaufläche soll bei 34 Hektar liegen. Mit Ausnahme einer Fläche in Rauenzell ist darin nirgends eine Innenentwicklung enthalten. Die im Analyseteil des Flächennutzungsplans erfassten Baulücken und Brachflächen von insgesamt 28 Hektar werden nicht aktiviert.
In seiner Bevölkerungsprognose stellt der Stadtrat auf Seite 72 ff der Begründung zum Flächennutzungsplan dagegen nur einen Wohnflächenbedarf von 25 Hektar für die nächsten 15 Jahre fest.
Besonders wertvoll: Lärmfreier Freiraum im Südosten
Jede gute Stadtentwicklung achtet einen wichtigen Grundsatz: Neue Planungen dürfen die Wohnqualität der schon hier lebenden Menschen nicht verschlechtern. Durch das Stadtgebiet Herrieden verläuft die Autobahn A 6, deren letztes Teilstück zwischen Neuendettelsau und Dorfgütingen in den nächsten Jahren ebenfalls noch auf sechs Spuren erweitert wird. Das bedeutet gegenüber dem jetzigen Zustand eine noch stärkere Lärmabstrahlung. Besonders problematisch wirken dabei die Altmühlüberquerung auf einem hohen Damm und die ins Tal abfließende Schallemission vom Bereich der Ausfahrt Herrieden. Deshalb ist der weitgehend lärmfreie und fußläufig erreichbare Freiraum im Osten und Süden der Stadt für die Herrieder Bevölkerung besonders wichtig, um sich ohne den Dauerlärm der Autobahn im Freien bewegen zu können. Die Fuß- und Radwegverbindungen in das Altmühltal dürfen nicht unterbrochen werden! Die für das Möbelwerk Schüller an der Straße nach Rauenzell neu ausgewiesene Erweiterung ist größer als die in 50 Jahren von der Firma tatsächlich benötigte Fläche! Ich unterstütze jede organische Eigenentwicklung, doch das muss in einem realistischen Maß und mit Rücksicht auf das Gemeinwohl geschehen.
Grundwasserneubildung - CO2-Speicherung - Wiesenbrüter
Altmühlwiesen sind ökologisches Kerngebiet
Franken ist ein Trockengebiet. Die Grundwasserneubildung liegt hier ein Drittel unter dem Bundesdurchschnitt. Entscheidend ist dabei aber die Art der Bodenoberfläche. Im Vergleich zu Ackerland ist der Oberflächenabfluss von Dauergrünland nur halb so hoch. Wiesen können 80 % des Jahresniederschlags speichern, Äcker nur 40 %. Darüber hinaus ist die Haltekraft unter der Grasnarbe von Wiesen erheblich länger. Grundwasser ist nach dem Bayerischen Wasserrecht ein Allgemeingut. Nutzungen sind auf seinen besonderen Wert abzustimmen.
Darüber hinaus hat Dauergrünland neben den Wäldern die höchste Klimaschutzwirkung. Der Wiesenhumus speichert jährlich drei bis vier Tonnen CO2 in einem Hektar ein; Äcker setzen im gleichen Zeitraum CO2 frei.
Schließlich sind die Wiesenflächen östlich des Firmengeländes Schüller zwischen der Staatsstraße nach Rauenzell und Roth formell ausgewiesenes Wiesenbrüterschutzgebiet. Das Überleben gesetzlich geschützter Arten wie Brachvogel, Bekassine und Kiebitz würde durch eine weitere Bebauung existenzgefährdend eingeengt.
Südumgehung durch das Schutzgebiet NATURA 2000
Im Entwurf des neuen Flächennutzungsplans hat der Stadtrat eine Umgehung geplant, die von der Leibelbacher Straße abzweigen, das Schüller-Gelände umrunden und von Roth her über den sogenannten Kastenweg in die Straße nach Rauenzell münden soll.
Dieses Verkehrsprojekt würde die Hochwasserschutzzone und das europäische Schutzgebiet Natura 2000 diagonal schneiden und damit den Kernbereich des natürlichen Erbes unmittelbar an der Altstadt zerstören. Das ist eine klar gesetzwidrige Planung!
Als Begründung werden Verkehrsstaus zu den Schichtwechseln der Herrieder Firmen an verschiedenen Stellen um die Altstadt genannt. Nach meiner Meinung sollten die Herrieder Firmen statt dessen etwas ins Auge fassen, was schon lange diskutiert wird – die zeitliche Staffelung ihrer Schichtwechsel um 15 oder 30 Minuten.
10 Gründe gegen die Bebauung der Altmühlwiesen
Das Schüller Möbelwerk hat in den letzten 50 Jahren eine beeindruckende wirtschaftliche Aufbauleistung erbracht. Dafür wurden bis heute 22 Hektar überbaut. Nun ist in den Altmühlwiesen ein Werk 2 mit noch einmal 25 Hektar geplant. Hier die Auswirkungen zusammenfassend im Überblick:
- Die Überflutungsräume der nördlichen Altmühlseitenbäche Klingengraben und Ameisengraben werden in Richtung Roth verlagert.
- 25 Hektar Fläche gehen für die Grundwasserneubildung verloren.
- In der gleichen Größenordnung verschwindet eine klimawirksame CO2-Senke, die der Atmosphäre jährlich 100 Tonnen CO2 entzieht.
- Der komplette nördliche Teil des Wiesenbrüterschutzgebiets mit der Brückenfunktion zu den Biotopflächen Saubrunnen und Chorweiher wird zerstört.
- Der stadtnahe, fußläufig erreichbare Erholungsraum im Südosten Herriedens wird abgeschnitten. Dieser Bereich ist deshalb so wertvoll, weil sich die Menschen dort ohne den Dauerlärm der Autobahn im Freien bewegen können.
- Der Fußweg auf dem historischen Bahndamm als eine der Hauptachsen in das Altmühltal wird gesperrt.
- Die Straße nach Roth wird über kurz oder lang erneut verlegt werden und zwar bis an die Einmündung des Kastenweges in die St 2249 gegenüber dem Weg zum Kienberg.
- Die Staatsstraße nach Rauenzell soll ab dem Kreisverkehr in einem weiten Bogen nach Norden verlegt werden, um das Betriebsgelände Schüller nochmals zu vergrößern. Das beeinträchtigt die Eislauffläche und den Fußweg zum Kienberg.
- Das Schüller-Areal dominiert mit seiner Ausdehnung von 22 Hektar bereits jetzt das Stadtbild. Die Altstadt umfasst eine Fläche von 24 Hektar. Die Einkreisung mit weiteren 25 Hektar großflächiger Gewerbehallen lässt die Stadt vollends hinter Industriebauten verschwinden. Die als national bedeutsam eingestufte und vom Bund geförderte Renovierung des Stadtschlosses ist dann in der Stadtsilhouette nicht mehr sichtbar. Das kulturelle Erbe wird erdrückt. Von der jetzigen Stadtgrenze aus ragen die Gewerbehallen dann 1300 Meter keilförmig in die freie Landschaft hinaus.
- Die letzte unverbaute Stadtansicht von Süden her auf Stiftsbasilika, Stadtmauer und Storchenturm will der Stadtrat durch eine Staatsstraßenumfahrung entwerten. Deren Verlauf würde auch das europäische Schutzgebiet NATURA 2000 diagonal durchschneiden.
Eine positive Weiterentwicklung dieses Unternehmens ist voll zu unterstützen. Die Altmühlwiesen sind für ein Werk 2 aber der falsche Standort. Zu viele andere Belange des Gemeinwohls würden dadurch Schaden leiden. Das kann auch nicht mit im Voraus getätigten Grundstückskäufen begründet werden, zumal die Firma an der A6-Ausfahrt Aurach gleichzeitig eine zusätzliche Gewerbebaufläche von 20 Hektar erhalten soll.
Generell ist auch in der Industrie eine kompaktere Bauweise zwingend. Mit welchem Recht nehmen die jetzigen Stadträte kommenden Generationen alle Spielräume weg?