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Josef Göppel in NN-Interviewreihe „Horch amol“ mit NN-Chefredakteur Michael Husarek

Nürnberg, 22. April 2021 - Unser Weltbild gründet seit der Aufklärung im 17. Jahrhundert immer noch auf der Annahme, dass sich alles nach materialistischen Gesetzen erklären lässt. Nur das gilt, was man zählen und messen kann. Die Welt ist aber nicht durchschaubar und zergliederbar wie eine Maschine.

Schon Einstein forderte uns mit der Krümmung der Raumzeit heraus, nach der die Zeit bei Annäherung an schwere Körper langsamer läuft.

Nun zeigt sich auch noch, dass unterhalb der Atomebene keine festen Teilchen bestehen, sondern „Quanten“, - ein pulsierendes Geflecht, das sein Wesen blitzschnell zwischen Materie und Energie wechseln kann.

Seit 1972 ist überdies belegt, dass Quanten ein Gedächtnis haben und ihr Verhalten nach dieser Geschichte richten. Der irische Physiker John Stewart Bell bewies einen „überlichtschnellen Informationsfluss“ zwischen Quanten, die sich „kennen“ – selbst über weite Entfernungen und lange Zeit hinweg.

Die rein materialistische Weltsicht ist nicht mehr haltbar. Die gesamte Lebewelt ist ein atmendes Ganzes, in dessen Austausch der Mensch über Atmung und Nahrung voll einbezogen ist. Er kann sich daraus nicht lösen.

Im Wirtschaftsleben führte die materialistische Weltsicht zur Übernutzung der Erde und zur Zerrüttung des Planeten. Ihr Kern ist die endlose Vermehrung von Kapital in einem Zyklus von Gewinn und Reinvestitionen. Dieses System produziert Textilien, die gar nicht verkauft, sondern eingestampft werden; Lebensmittel, die zu einem Drittel weggeworfen werden und kilometerlange Schwaden von Plastik im Meer.

Diese Logik hat religiöse Züge angenommen. Sie gilt heute als einzig wahre und vernünftige Weltanschauung. In Wahrheit konzentriert dieses System den Reichtum auf Gruppen, die schon viel Kapital besitzen. Es untergräbt überall den Mittelstand mit seinen regionalen Wirtschaftsweisen und es schafft immer mehr Zurückgebliebene. Als Energiebeauftragter in Afrika habe ich das damit verbundene Leid vielfach gesehen.

Aus diesem brutalen Kreislauf gibt es nur einen Ausweg, nämlich soziale und ökologische Leitplanken durch demokratische Initiativen auf der Ebene der Staaten. Das erfolgreichste Beispiel dafür war die deutsche soziale Marktwirtschaft. Seit dem Fall aller Schranken für Kapitalbewegungen ab 1990 wird die Globalisierung aber immer rücksichtsloser. Globale Konzerne spielen die Staaten mit Investitionsversprechen gegeneinander aus.

Die Propheten des von staatlichen Fesseln befreiten Kapitalismus versprechen den Menschen durchsickernden Wohlstand; die Flut werde alle Boote heben.

Die Parole vom durchsickernden Wohlstand und der Flut, die alle Boote hebt, hält aber der Realität nicht stand. Heute leben über 4 Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze von 7 $/Tag; das sind mehr als 1980 (Jason Hickel against Bill Gates 2019).

Unsere Erde, die früher so groß und unerschöpflich wirkte, kommt an ihre Grenzen. Im Vergleich zur Größe eines Fußballs ist unsere Erdatmosphäre nur 1 mm dick!

Hier zeigen sich klar die Aufgaben der Zukunft. Wir brauchen eine Weltwirtschaftsordnung, die Güter und Dienstleistungen innerhalb der planetaren Grenzen bereitstellt.

Das Interview können Sie hier abrufen.

Wem können wir glauben im Meinungsgewirr? -

Josef Göppel beim zentralen Festakt zum Reformationstag in der Sebalduskirche Nürnberg 31.10.2019 -

Reformation, das bedeutet neu formieren in den Herausforderungen unserer Zeit.

Der Umgang mit dem vielstimmigen Meinungschor der sozialen Medien ist eine solche Herausforderung. Wem können wir noch glauben? Heute wie zu Zeiten Luthers ist es richtig, auf alles unvoreingenommen zu blicken, jedoch mit nüchterner Vernunft zu urteilen.

Ein Beispiel ist die aktuelle Klimadiskussion. Der menschliche Anteil betrage nur 3 % wird gesagt. Das stimmt, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. 97 % umfaßt das seit dem Ende der Eiszeit vor 10 000 Jahren stabile Gleichgewicht zwischen CO2 Bindung der Pflanzen und Verrottung organischer Masse. Die 3 % aus der Verbrennung tief im Boden eingeschlossener ehemaliger Pflanzenreste kommen obendrauf. Sie haben bis jetzt schon eine Erhöhung des CO2 Anteils in der Erdatmosphäre von 280 Millionstel Teilchen (parts per million) auf 400 ppm bewirkt. Die Klimakritiker sagen nun ein neues Gleichgewicht bei 800 ppm voraus. Das entspricht aber der Luft in begasten Gewächshäusern zur Wachstumssteigerung von Schnittblumen oder Tomaten.

Fortschritte wird es geben, wenn wir in unserem Alltag das tun, was ohne radikale Lebensveränderungen möglich ist:
Was kaufe ich ein?
Wie reise ich?
Wie schnell fahre ich?
Welches Auto brauche ich?

"Plastik verstopft das Gehirn" titelte die NN vor kurzem. Sie hat recht damit, denn Wissenschaftler des Instituts für Nanotechnik in Forchheim bewiesen, dass Mikro Plastikteilchen nicht nur durch Kaffeefilter schlüpfen, sondern auch die Blut– Hirn – Schranke überwinden.

Ein Team der Uni Bayreuth zählte die sichtbaren Plastikreste am Ufer des Altmühlsees bei Gunzenhausen und fand 17.000 Partikel pro Quadratmeter Strand! Plastik dringt auch in unsere Körper ein. Vielleicht bewegen uns solche Nachrichten, wenigstens bei allen kurzlebigen Konsumartikeln künftig Plastik zu vermeiden.

Besonders dringlich ist für das Neuformieren unserer Lebenshaltung auch mehr direkte Bürgerbeteiligung am Aufbau erneuerbarer Energien. Das europäische Parlament hat vorgelegt: 30 KW, die an Ort und Stelle verbraucht werden, sind abgabenfrei und für Mehrparteienhäuser gibt es die neue Kategorie "kollektiver Eigenverbrauch". Mieterstrom wird damit überall möglich. Die N-Energie Nürnberg ist für die Sammlung und den Ausgleich der dezentralen Erzeugung ein wichtiger Partner.

Die Wende im Verkehr hängt von unserer Einstellung zum Auto ab. In Abwandlung eines alten deutschen Sprichworts lautet das so: "Es kann der Brävste nicht beruhigt fahren, wenn es dem bösen Raser nicht gefällt". Beschämend ist, dass ausgerechnet eine Partei, die sich konservativ und christlich nennt, beim Tempolimit so tief in Interessenverflechtungen steckt und ausschließlich jene vertritt, die ihre vermeintliche Freiheit auf Kosten anderer ausleben wollen! Mit einem Tempolimit gewinnen wir gleichmäßigeren Verkehrsfluss, mehr Sicherheit und weniger Schadstoffausstoß. Das Auto der Zukunft muss höher und leichter, aber nicht immer schwerer und schneller sein.

In unserem persönlichen Umfeld können wir mit kleinen Grünflächen großen Nutzen stiften. Die frei lebenden Tiere brauchen nicht viel; etwas Nahrung und geschützte Plätze zur Aufzucht ihrer Jungen. Wissenschaftler der Uni Würzburg haben nachgewiesen, dass die Wirkung der "natürlichen Dienstleister" für Bestäubung und biologische Schädlingsregulierung umso größer ist, je artenreicher und kleinteiliger die Fluren sind. 6 ha für ein Feldstück ermittelten sie als Obergrenze.

Lassen wir uns nicht täuschen! Trotz aller Technik und künstlichen Intelligenz können wir uns über die Naturgesetze nicht erheben. Wir bleiben auf die Lebensvielfalt um uns angewiesen

Bleibt nun noch die große Frage der Gerechtigkeit. Ich sehe vor mir die Gesichter von Menschen im größten Slum Afrikas, dem Stadtteil Kibera in Nairobi. Mit einem, der zehn Jahre darin lebte, ging ich durch die Lehmpfade und Wellblechhütten. 1,2 Mio Menschen drängen sich dort auf 2 1/2 km2. Niemand blickte mich aggressiv oder abweisend an. Es herrschte vielmehr geschäftiges Leben, denn alle versuchen, mit kleinen Handwerksarbeiten und Dienstleistungen irgendwie etwas Geld zu verdienen. Ich begegnete auch wieder unseren gespendeten Kleidungsstücken. Sie wurden auf großen Wühltischen zum Kauf angeboten.

Dagegen steht unsere Glitzerwelt des Konsums wie ein riesiges Schwungrad, das immer neue Bedürfnisse weckt. Wohl kaum jemand aus dem Slum Kibera wird sich aufmachen nach Europa, denn das Geld dafür reicht hier keinem. Die jungen Eliten Afrikas stellen jedoch die Forderung nach einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung immer drängender. Es baut sich Druck auf!

Reformation - Neu formieren. Für uns Globalisierungsgewinner und alle auf der Sonnenseite des Lebens geht es um das rechte Maß, eine Lebensweise der Verantwortung.

Kommt ein Reicher ins Himmelreich? Jesus gab die Antwort mit einer Beobachtung aus seinem täglichen Leben. Nadelöhr nannte man in der Stadtmauer von Jerusalem ein Törlein, durch das ein Fußgänger gehen konnte, aber kein Lastkamel. Dieses musste sein Gepäck erst abwerfen, in die Knie gehen und durchrutschen.

Beruhigend für uns, daß er an anderer Stelle von einem Reichen verlangte, nur die Hälfte seines Besitzes den Armen zu geben. Neu formieren heißt in unserer Zeit, eine Lebensweise einzuüben, die auf alle Menschen des Planeten übertragbar ist.