Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel über das Ergebnis seiner Partei bei der Landtagswahl und nötige Konsequenzen
Ingolstadt/Herrieden (DK) 16.10.2018 Er gilt als das "grüne Gewissen der CSU" und als unangenehmer Querdenker, saß bis 2017 im Bundestag und war dort Vorsitzender des Arbeitskreises Umwelt. Im Interview kritisiert er die mangelnde Glaubwürdigkeit seiner Partei.
Herr Göppel, wie bewerten Sie das Ergebnis der Landtagswahl?
Göppel: Die ersten Reaktionen der CSU-Führung wollen ja glauben machen, dass alles gar nicht so schlimm ist und im Grunde alles beim Alten bleiben kann. Darauf deuten auch die Wünsche in Richtung der Freien Wähler hin. Ich halte das für einen schweren strategischen Fehler, weil in Bayern ein offenkundiges Bedürfnis nach einer frischen Politik vorhanden ist. Das drückt sich im Wahlergebnis der Grünen aus.
Was haben die Grünen besser gemacht als in der Vergangenheit?
Göppel: Ich sehe den Grund in der Übernahme eines modernen bayerischen Heimatbegriffes durch die Grünen. Nämlich ein Heimatbegriff, der weltoffen ist, der aber zugleich behütender im Umgang mit dem Land ist. Der Wendepunkt war das Bürgerbegehren gegen den Flächenfraß, auch wenn der Verfassungsgerichtshof es aus formalen Gründen nicht zugelassen hat. Aber das war der Moment, wo die Grünen vielen auch auf dem Land als wählbar erschienen sind.
Was trennt CSU und Grüne?
Göppel: Das sind die herkömmlichen gesellschaftspolitischen Beschlüsse der Bundesgrünen, wie zum Beispiel die Ehe für alle oder die Überbetonung des Gender-Begriffs. Die bayerischen Grünen haben aber eine kluge Strategie verfolgt, indem sie Punkte aufgegriffen haben, die die Bayern ansprechen: die riesigen Gewerbe- und Logistikhallen auf dem Land und das Thema Sicherung eines bezahlbaren Wohnraums in der Stadt.
Wo sind sich die beiden Parteien vielleicht näher als man denkt?
Göppel: Wenn die CSU ihre eigenen Grundsätze, nämlich die christliche Verantwortung und die Schöpfungsverantwortung ernst nehmen würde, dann wären sich CSU und Grüne ganz nahe. Ich habe als Vorsitzender des Arbeitskreises Umwelt der CSU jahrzehntelang wie ein Rufer in der Wüste in der CSU gewirkt. Im Zweifel war die CSU-Führung aber immer für wirtschaftliche Großstrukturen, obwohl sie in den Sonntagsreden von Mittelstand redet. Und das ist der Grundfehler, den viele Menschen allmählich durchblicken. Die Mittelschichten dünnen aus, und das müsste die CSU alarmieren.
Markus Söder hat bereits vor der Wahl die Schuld Berlin zugeschoben.
Göppel: Das ist eine vordergründige Schutzbehauptung. Die CSU-Führungsriege selbst, Söder, Seehofer, Scheuer, Dobrindt, und die die um sie herum sind, haben in dem Hin und Her zwischen Nachahmung der AfD und Abgrenzung von der AfD viel Glaubwürdigkeit verloren.
Vor allem junge Leute haben die Grünen gewählt. Ist die absolute Mehrheit für die CSU deshalb langfristig verloren?
Göppel: Ja, davon bin ich überzeugt. Wenn sich die CSU nicht diese gesellschaftliche Innovation, die von den Grünen kommt, zu eigen macht – auf christlicher Grundlage und auf Grundlage einer aktiven Schöpfungsverantwortung.
Das heißt, dass sich die CSU massiv bewegen muss.
Göppel: In die derzeit handelnden Personen habe ich da wenig Zutrauen. Es wird jetzt zum Beispiel das Thema Flächenmanagement für Bayern mit einer landesweiten Obergrenze einer der Punkte sein, woran sich entscheidet, ob die CSU-Führung fähig ist, solche Innovationen aufzunehmen. Denn wenn das nicht geschieht, dann wird der Unmut gegen die fantasielose Überbauung des Landes an allen Straßenkreuzungen und Autobahnausfahrten immer größer und dann werden die Verluste der CSU bei der Kommunalwahl 2020 noch verheerender.
Markus Söder will eine „bürgerliche Koalition“ mit den FW bilden und bezeichnet die Grünen als „Verbotspartei“. Ist das nicht eine antiquierte Denkweise?
Göppel: Das ist ein Zeichen, dass Markus Söder die geistige Bewegung, die jetzt bei der bayerischen Bevölkerung bei der Wahl spürbar war, nicht verstanden hat.
Sie klingen nicht zufrieden mit Ihrer Partei.
Göppel: Ich beschreibe die Realität. Ich kritisiere diesen großen Abstand zwischen den Wertgrundlagen der CSU und der praktischen Politik der jetzigen Führung.
Muss es personelle Konsequenzen geben?
Göppel: Ich fürchte, dass es dazu nicht kommt. Dann wird sich aber der Druck auf ein Nachholen mancher gesellschaftlicher Erneuerungen immer mehr anstauen.